Auf lange Sicht gut versorgt.

Auf lange Sicht gut versorgt.

8. Mai 2020 Aus Von Administratorin

Zu Beginn der Weidesaison lohnt es sich, der Vitamin- und Spurenelementversorgung etwas mehr Aufmerksamkeit zu schenken. Ein Beitrag von DI Christian Kolb (E-Mail: vetpraxis-rohr@outlook.com).

 

Die Langzeitversorgung mit Mengen- und Spurenelementen sowie Vitaminen in den verschiedenen Phasen des Produktionszyklus des Rindes wird von vielen Landwirten aber auch Tierärzten immer noch unterschätzt. Ganz nach dem Motto „Ich habe eh‘ eine Mineralstoffmischung, das wird schon passen!“, beschäftigen sich viele Landwirte nicht näher mit der genauen Zusammensetzung ihrer Grundfuttermittel und sind damit kaum in der Lage, zuverlässige Aussagen über mögliche Mangelzustände zu treffen. In vielen Fällen ist es daher erst der Tierarzt, der anhand mehr oder weniger eindeutiger Symptome, die oftmals als Bestandsproblematik auftreten, die Diagnose Mangelversorgung stellt. Dabei werden die „klassischen“ Anzeichen eines Spurenelementmangels eher selten beobachtet, besonders im Anfangsstadium. Viel wahrscheinlicher ist eine Beteiligung an multifaktoriellen Störungen  mit großer wirtschaftlicher Bedeutung: Fruchtbarkeitsprobleme, Abwehrschwäche und sinkende  Leistungsfähigkeit, Klauenerkrankungen und Mastitis. Um dies zu vermeiden, und um das genetische Potential unserer auf Leistung gezüchteten Rinder effizienter zu nutzen, empfiehlt es sich daher, an die Langzeitversorgung der Muttertiere und Kalbinnen zu denken.

Die Spurenelemente Kupfer, Cobalt und Selen spielen besonders für die Reproduktionsleistung von Kühen eine entscheidende Rolle. So wird nicht nur die Geburtsdauer, sondern auch das Nachgeburtsverhalten und die Aufnahmerate bei der folgenden Besamung von der Spurenelemente-Versorgung beeinflusst.

Ein Bolus bietet daher speziell für Weidetiere einen  geringen Aufwand bei gleichzeitig langer Wirkung: Er stellt die nötige Versorgung sicher, während Lecksteine nicht oder nur sehr unregelmäßig von den Tieren aufgesucht werden. Mit der Verabreichung von nur einem Bolus kann der Bedarf acht Monate lang gedeckt werden. In der Folge werden einige der wichtigsten Spurenelemente und Vitamine kurz beschrieben.

Selen

Selen ist neben seiner Funktion im Hormonhaushalt (Schilddrüse) und als Strukturprotein vor allem beim oxidativen Zellschutz aktiv. Daher kann Selenmangel zu schwerwiegenden Veränderungen im Organismus führen. Die therapeutische Breite ist gering und die toxische Wirkung (v.a. der organischen Form) muss beachtet werden. Tiere nehmen anorganisches Selen aus dem Boden auf und bauen es in organisches Selenocystein und -methionin ein. Ähnlich zu Jod ist der Selengehalt der Milch durch die Selenversorgung des Muttertieres beeinflussbar.
Ein Selenmangel ist speziell zum Zeitpunkt des Weideauftriebs problematisch, da die Tiere nach der Winterpause im Stall die Muskulatur plötzlich stärker beanspruchen und gleichzeitig große Mengen mehrfach ungesättigter Fettsäuren im jungen Weidegras verstoffwechseln müssen.

Es besteht eine enge Wechselwirkung zu Vitamin E, bis hin zur Substitution (daher lassen sich Selenmangelsymptome auch durch Zufuhr von Vitamin E beheben). Ebenso ist Selen am Prostaglandinmetabolismus beteiligt. Fördernd auf die Se-Resorption wirken Vitamin A und E. Ein Mangel kann zu Nachgeburtsverhalten, Fruchtbarkeitsstörungen, Erkrankungen der Skelettmuskulatur (Dystrophie) sowie erhöhter Empfänglichkeit für Euterentzündungen führen.
Die Versorgungsempfehlung liegt zwischen 0,2 und 0,3 mg/kg TM.

Jod

Auch hier ist die Versorgung stark standortabhängig, wobei Österreich als Jodmangelgebiet gilt. Eine Versorgung mit Jod muss daher speziell während der Weidesaison gewährleistet sein.
Bei Mangel wird vom Körper versucht, durch ein Schilddrüsenwachstum (Kropfbildung) und eine erhöhte Aufnahme in die Schilddrüse diesen zu kompensieren.
Mangelerscheinungen sind Lebensschwäche, Wachstums- und Fruchtbarkeitsstörungen (Abort, Nachgeburtsverhalten, Fruchtresorption, Brunstzyklusveränderung), haarlose Neugeborene, Kretinismus sowie gesteigerte Morbidität und Mortalität. Ein Jodmangel des Muttertieres kann zu angeborener Hypothyreose führen.
Die Versorgungsempfehlung liegt zwischen 0,1 und 0,5 mg/kg TM.

Geographische Unterschiede

Anhand umfangreicher statistischer Auswertungen der Bodengehalte an Spurenelementen in Österreich hat sich gezeigt, dass bei den Elementen Natrium und Kupfer der Einfluss der geologischen Formation auf den Gehaltswert im Grünlandfutter am höchsten ausgeprägt ist (LFZ Raumberg-Gumpenstein, siehe Literaturangaben). So sind z.B. im Tiroler Unterland mittlere Natriumwerte von 0,17 g/kg TM festgestellt worden, während im Waldviertel die Na-Werte bei 0,45 g/kg TM lagen. Sehr niedrige Kupfergehalte (unter 1 mg/kg TM) treten in Teilen Kärntens und im Salzburger Flachgau auf, hohe Kupferwerte sind im Salzburger Pinzgau (Ø 12,4 mg/kg TM) vorhanden. Mangan und Zink werden ebenfalls stark vom Grundgestein beeinflusst, die niedrigen Gehalte treten in Kalkgebieten auf, hohe Mangan- bzw. Zinkwerte finden sich auf sauren Standorten.

Kupfer

Wird hauptsächlich in der Leber gespeichert (Säuger werden mit Cu-Reserven geboren) und ist Bestandteil verschiedener Proteine und Cu-Metalloenzyme. Es ist zu 95% an Coeruloplasmin (Ferrooxidase) gebunden, welches zweiwertiges zu dreiwertigem Eisen oxidiert und so die Bindung an Transferrin ermöglicht. Somit ist Cu ein wichtiger Teil bei der Hämoglobinsynthese (ein Mangel kann somit zu Anämien führen).
Bei Mangel kann es neben der Störung der Eisenverwertung (Eisen reichert sich in den Mukosazellen an, aber die Abgabe an das Plasma nimmt ab, daher zeigen sich bei Kupfermangel auch Eisenmangelsymptome), zu Veränderung der Haut- und Haarstruktur, Verformung und Brüchigkeit des kollagenreichen Skeletts, zur Bildung von Pigmentstörungen (Haar und Wolle) aber auch zu Schäden des zentralen Nervensystems kommen (neonatale Ataxie). Weiters zu Lecksucht und Durchfall, herabgesetzter Futteraufnahme, Wachstumsverlangsamung, Immunsuppression, verminderte Konzeptionsrate, Anöstrus, embryonaler Frühtod und Aborte, verminderte Milch- und Milchfettleistung.
Beim Rind und Schaf wird Cu umso schlechter verwertet, je Ca-reicher die Ration ist. Schafe reagieren besonders schnell und intensiv auf ein Überangebot von Cu.
Die Versorgungsempfehlung liegt zwischen 5 und 10 mg/kg TM.

 

Zink

Ist nach Eisen das häufigste Spurenelement und ist am Stoffwechsel der Proteine, Kohlenhydrate und Fette sowie den Neurotransmittern beteiligt, stabilisiert Zellmembrane und hat Bedeutung bei immunologischen Prozessen. Es ist ebenso Bestandteil von Insulin.
Hohe Ca Gehalte und/oder Phytinsäuren können zur Bildung schwerlöslicher Komplexe führen (v.a. beim Schwein). Hohe Ligningehalte vermindern die Aufnahme.
Mangelsymptome sind in Form von Veränderungen der Zungenoberfläche, verminderte Glucosetoleranz, Immunsuppression, verzögerter Wundheilung, Fruchtbarkeitsstörungen männlicher und weiblicher Tiere bis hin zur Sterilität, Aborte, Mumifikation, Wehenschwäche, niedrige Geburtsgewichte, Zwergwuchs und gestörte Skelettentwicklung. Weiters parakeratotische Hautverletzungen und -entzündungen durch Störung der Keratin- bzw. Hornschichtbildung (Verkrustungen und Risse mit Blutungen), Hornbildungsprobleme (Hufe), schmerzhafte Gelenke, Klauenprobleme.

Wichtig: Eisen und Zink stehen bei der Aufnahme in Konkurrenz zueinander. Zwischen Zink und Kupfer herrscht bei der Aufnahme ein Antagonismus.

Die Versorgungsempfehlung liegt zwischen 20 und 70 mg/kg TM.

Mangan

Mangan ist ein essentieller Bestandteil oder Aktivator von mehr als 60 Enzymen. Neben der Bedeutung als Cofaktor von Enzymen der Gluconeogenese und der Harnstoffsynthese leistet es auch einen Beitrag zum antioxidativen Schutz des Körpers.
Unter praktischen Fütterungsbedingungen sind Kühe und Kälber meist mangelgefährdet. Es kommt zu vermindertem Wachstum, anomale Skelettentwicklung und vermehrte Knorpelbildung, letale Lähmungen, Zungenschlagen, Neugeborenenataxie, verzögerte sexuelle Reifung, Stillbrünstigkeit bei normaler Ovulation, Aborte und Totgeburten, Geschlechterverschiebung hin zu männlichen Tieren, gestörte Blutgerinnung.
Die Versorgungsempfehlung liegt zwischen 20 und 70 mg/kg TM.

Vitamin A und β-Carotin

Vitamin A steht für alle Verbindungen mit Vitamin A ähnlicher biologischer Wirksamkeit. Es wird entweder in Form von Retinol aus tierischen Produkten aufgenommen oder in Form eines Provitamins (Carotinoide, meist β-Carotin) aus Pflanzen.
Der Vitamin A Gehalt der Milch hängt vom Versorgungsstatus der Tiere mit Carotinen ab, zu denen die Vorstufen des Vitamin A zählen. Diese Carotine kommen v.a. in Grünfutter vor, Silierung und Heubereitung senken den β-Carotin Gehalt (ebenso die Lagerungsdauer). β-Carotin ist aus quantitativer Sicht die wichtigste Vorstufe von Vitamin A. Aus einem Molekül β-Carotin wird im Schnitt ein Molekül Vitamin A synthetisiert. Ein zu hohes Angebot an β-Carotin senkt die Umwandlungsrate wieder, ebenso ist die Umwandlungsrate bei langandauernder Carotinunterversorgung vermindert. Versorgungsempfehlungen sind somit schwer zu geben. Sie liegen bei ca. 5.000 IE Vitamin A/kg  TM für Laktierende und 10.000 IE Vitamin A/kg TM für Trockensteher. Für β-Carotin bei  15 mg/kg TM.
Ein Vitamin A Mangel äußert sich in sämtlichen Arten des Kümmerns und der Infektanfälligkeit.
Eine β-Carotin Überversorgung ruft meist keine der Symptome hervor, da folgernd die Umwandlung in Vitamin A sinkt.
β-Carotin besitzt beim weiblichen Rind (und Pferd) möglicherweise eine unabhängige Funktion bei der Reproduktion. Studien zeigen, dass trotz bedarfsgerechter Vitamin A Versorgung bei β-Carotin-Mangel Symptome wie verkürztes Brunstintervall, verzögerte Ovulation, Follikel- und Gelbkörperzysten oder eine verlängerte Güstzeit und schwache Brunstsymptome auftreten können.

Vitamin E („Tocopherol“)

Umfasst eine Gruppe von acht Verbindungen mit unterschiedlicher biologischer Aktivität, die ausschließlich von Pflanzen synthetisiert werden. α-Tocopherol besitzt die höchste biologische Aktivität (besonders in jungem Grünfutter).
Alle Zellen und Zellmembrane des Körpers werden über Lipoproteine mit Vitamin E versorgt. Aufgrund der Fettlöslichkeit schützt es v.a. Lipide in biologischen Membranen vor Sauerstoffradikalen. Auch für die Schlachtkörperqualität (Haltbarkeit, Sensorik) ist Vitamin E von Bedeutung. Es besteht ein Synergismus zu Vitamin C und der selenabhängigen Glutathionperoxidase. Der Bedarf ist rationsabhängig und bei reichlicher Selenversorgung geringer.

Cobalt

Ist das zentrale Atom des Vitamin B12. Es wirkt möglicherweise auf die Aktivierung von Enzymen und fördernd auf die Resorption von Eisen. Der Wiederkäuer kann mittels seiner Pansenmikroben Vitamin B12 bilden. Co benötigt daher nicht nur die Kuh selbst sondern auch die Mikroben in Form von Vitamin B12 für viele bakterienspezifische Enzyme. Ein Co-Mangel führt somit nicht nur zu einem Vitamin B12 Mangel des Tieres, sondern auch zu einem Mangel der Pansenmikroben mit Auswirkungen auf deren Wachstum und Stoffwechselleistung (neg. Einfluss auf den Nährstoffaufschluss). Es zeigt sich eine verminderte Fresslust, vermindertes Wachstum, sowie verminderte Milchleistung, Fettleber, Aborte, verminderte Gluconeogenese, chronische Auszehrung, Augenausfluss oder auch Fotosensibilität.
Die Versorgungsempfehlung für Wiederkäuer liegt bei 0,2 mg/kg TM. Co-Vergiftungen treten erst bei ca. 100 mg/kg TM auf.

 

Literatur:

Jeroch H., Drochner W., Simon O. [2008]: Ernährung landwirtschaftlicher Nutztiere, 2. Auflage Kirchgeßner M., Roth F., Schwarz F., Stangl G. [2008]: Tierernährung, 2. Auflage.

LFZ Raumberg-Gumpenstein: Unterlage zur 36. Viehwirtschaftlichen Fachtagung, 2009.